menschen leben in und identifizieren sich mit geschichten; in erster linie ihrer lebensgeschichte, die sich zusammensetzt aus vielen anderen: 'meine' beziehungen, 'meine' laufbahn, leidensgeschichten, reisen etc. und hinter diesen geschichten die letzte: die geschichte, dass ich überhaupt ein ich bin. ohne diese geschichten könnten wir unmöglich differenziert kommunizieren. die identifizierung mit geschichten führt allerdings zu mehr, lässt sie real erscheinen, bis sich vielleicht eines tages die identifizierung der lebensenergie von diesem ich löst, ganz von selbst, denn so etwas kann ich nicht machen. und natürlich will das auch kein ich. es widerfährt einem - oder eben auch nicht
die identifizierung mit einem ich beginnt in der frühen kindheit und ist keine mentale angelegenheit, sondern durchdringt jede faser des körpers. das wurde deutlich, als die auflösung der identifizierung 'mir' geschah: spontan und unerwartet änderten zugleich und in der zeit danach eine anzahl selbstverständlicher physiologischer muster, z.b. der atmung, von verdauung und ausscheidung, im gehen, und auch verhaltenmuster. wenn ich früher viele dinge in gedanken an das nächste erledigte, fiel letzteres plötzlich weg: es gibt nur noch das, was gerade zu tun ist, basta. der organismus scheint harmonischer oder natürlicher zu funktionieren
geschichten existieren dennoch weiter wie alles andere auch, jedoch gibt es keinen besitzer mehr. es gibt nicht mehr 'meine' laufbahn sondern eine laufbahn, die scheinbar geschieht. was sich dann 'ich' nennt, scheint etwas umfassenderes, unpersönlicheres - eben diese allgegenwärtige lebensenergie, die wir alle sind
eine geschichte zu haben bietet komfort oder zumindest die illusion davon, denn sie gibt orientierung und sicherheit: ich weiss, wer ich bin. und was ich glaube, ist richtig. das ist schon eine art heimat. unerkannt bleibt meist, dass dieses gebilde einengend ist, weil es zwingend gilt. fällt die identifizierung weg, wird unmittelbar der illusionäre charakter dieses gebildes klar. dennoch kann dies als verlust erlebt werden, geht doch ein ganzes stück orientierung verloren. zugleich wird befreiung erlebt: ich bin dann nicht mehr in einer persönlichen geschichte aufgehoben oder gefangen, sondern in den armen des allumfassenden seins - und dies weitet, öffnet ...
aus allen wolken gefallen wäre noch milde gewesen, ich aber fiel aus allen geschichten. was bleibt dann übrig? leben selbst natürlich - pulsierend, ungezähmt, noch rau. das ist wenig spektakulär, darüber gibt es keine stories zu erzählen. jedoch: ausserhalb oder vor allen geschichten - ohne den filter, den sie uns aufzwingen mit ihren überzeugungen, meinungen und konzepten - existiert nur präsenz, das was gegenwärtig gerade geschieht, in jedem moment neu ist und immer von neuem staunen lässt. dort ist der ort unserer tiefsten sehnsucht, dort ist zuhause...